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Peter Köberle (2004)

Ein Schloss spielt Schicksal

Kap. 16A: Noch lebt das „Alte Bautzener Landrecht“

(Ausschnitt aus dem autobiografischen Roman von Peter Köberle, derzeit noch unvollendet).

 

„Daß ein Justizcollegium, daß Ungerechtigkeiten ausübt, weit gefährlicher und schlimmer ist, wie eine Diebesbande, vor die kann man sich schützen, aber vor Schelme, die den Mantel der Justiz gebrauchen, um ihre üble Paßiones auszuführen, vor diese kann sich kein Mensch hüten, die sind ärger wie die größten Spitzbuben, die in der Welt sind.“

(Der preußische König Friedrich II. – Protokoll v. 11.12.1779)

„Die Gerechtigkeit wohnt in einer Etage, zu der die Justiz keinen Zutritt hat.“

(Dürrenmatt)



Obwohl die Politiker und auch die Medien nicht müde werden, jeden Tag auf’s Neue den Rechtsstaat zu beschwören, ist der Zustand des in Deutschland teilweise praktizierten Rechts auf ein so tiefes Niveau gesunken, daß der Schritt in den Unrechtsstaat nicht mehr allzu groß ist, in Teilbereichen sogar schon vollzogen ist. Anfangs war Peter Berger überzeugt, daß nur sein höchst ungewöhnlicher Fall und die politischen Hintergründe um Schloß Rammenau in den yakuzatischen Sümpfen Sachsens unterzugehen drohte. Aber je mehr er sich mit seinen Problemen und der Handhabung durch die Justiz beschäftigte, umso mehr mußte er erkennen, daß sich das deutsche Recht in einer schweren Krise befindet und niemand bereit ist, eine Umkehr herbeizuführen.

In seinem Buch – „Im Namen der Gerechtigkeit“ - beschreibt der Strafverteidiger Dr. Paul Ronge die unheilvolle Entwicklung des Rechts in den Jahren vor und während des Dritten Reiches. Resignierend schreibt Ronge über die Monate vor der Machtergreifung durch die Nazis:

„Ich wartete auf Gerechtigkeit und hoffte, daß die höchsten deutschen Juristen eingreifen würden. Ich hoffte und wartete vergebens.“

Ist es heute um so viel anders? Wer im Internet die Begriffe „Amtsmißbrauch“ – „Justizopfer“ – „Gewaltenteilung“ oder ähnliche Begriffe eingibt, wird mit Erschrecken feststellen, daß unser Rechtsstaat auf tönernen Füßen steht, die bei der geringsten Belastung brechen können. Weiter wird er erkennen müssen, daß von der legislativen und judikativen Gewalt, das Recht immer mehr zugunsten des übermächtigen Staatsapparates (der exekutiven Gewalt) verbogen und verdreht wird. Es ist eine beängstigende Entwicklung, die durch das schon nahe an Unfehlbarkeit des Papstes heranreichende „Richterprivileg“ zusätzlich abgesichert wird.

Es war die loyale exekutive Gewalt – der Staatsapparat – die 1933 die Machtergreifung Hitlers bereitwillig mit vollzog, weil der Führer Arbeit und Ordnung versprochen hatte. Es war jener Staatsapparat, der alsbald bereitwillig die Namen für die Transportlisten nach Dachau und Auschwitz zusammenstellte, obwohl deren Verfasser sehr bald erkannten, daß es für die Opfer nie mehr eine Heimkehr geben würde. Es waren die Menschen, die einige Monate später vollkommen kritiklos die Meldelisten mit dem Todesdatum der Verschleppten weiterführten, damit keiner ganz verloren ging und scheinbar alles wieder seine bürokratische Ordnung hatte.

Es war die judikative Gewalt, die tatenlos dem ersten Unrecht zusah und in den Folgejahren bereitwillig über die Begriffe „Sondergericht“ und „Kriegsrecht“ eine menschenunwürdige Tötungsmaschinerie Andersgearteter und Andersdenkender millionenfach mitgetragen und geduldet hat. Kein Aufschrei gegen das staatliche Unrecht kam von den Staatsanwälten und den Richtern. Die unzähligen Opfer starben – für die Außenwelt unhörbar – in unterirdischen Kellerverliesen oder abseits der Gesellschaft „unter den Duschen“ oder in den modrigen Baracken der Vernichtungslager.

Die Machtergreifung ging sehr schnell. Innerhalb weniger Tage war der Staatsapparat mit militärischer Unterstützung gleichgeschaltet und die Juden aus ihren Positionen entfernt. Nicht mehr Eigeninitiative war von nun an gefordert, sondern bedingungs- und kritiklose Anpassung und Unterordnung.

Es war nach der Machtergreifung nur ein kurzer zeitlicher Weg, bis Roland Freisler (Vorsitzender des Volksgerichtshofs) die Strafverteidiger als „Verbrechergehilfen“ abwertete und Hunderte von Richtern in der Folge mit dem freundlichsten Lächeln für Bagatellvergehen und aufgrund ungeprüfter Denunziationen tausendfach Todesurteile verkünden und begründen konnten. Die Strafprozeßordnung war kaum geändert worden. Der Staatsanwalt war weiterhin – zumindest nach dem Gesetz – verpflichtet, auch die den Angeklagten entlastenden Umstände zu erforschen.

Konnte ein Beschuldigter – damals und auch heute – in „besseren Händen“ sein, als in denen der vom Staat eingesetzten „Hüter des Rechts“, in den Händen von Staatsanwälten?

Der Wert eines Menschenlebens war in jener Zeit nahezu Null. Gegen das Unrecht der Justiz konnte man im Dritten Reich nichts unternehmen. Ist das heute nicht fast ähnlich? Man muß sich der Willkür und des millionenfachen Leids dieses (Un)-Rechts erinnern. Die Erinnerung darf nicht dem Vergessen anheimfallen, damit das Recht nicht noch einmal in den Abgrund solcher Unmenschlichkeit versinkt. Nun einige Beispiele der damaligen Justizverbrechen, die der Strafverteidiger Dr. Ronge im Raum Königsberg miterleben mußte und als Strafverteidiger nicht verhindern konnte und als Erinnerung für die Nachwelt aufgeschrieben hat:

Ein junger Mann organisierte sich bei der Sammlung von Eisen und Metallen einen Aschenbecher und „bewahrte“ diesen so vor dem Schmelzofen. Todesurteil und Vollstreckung.

Ein anderer Mann besorgte sich auf diese Weise eine Metallbettstelle für sein Kind. - Todesurteil und Vollstreckung.

Der alte jüdische Kaufmann Hirschfeld aus Allenstein wurde zum Tode verurteilt und hingerichtet, weil er eine ihm gehörende Nähmaschine gegen eine Gans eingetauscht hatte.

Ein 23-jähriger Bauernsohn aus Ostpreußen schlug sich beim Holzspalten mit der Axt in die Hand. Vorwurf: - Selbstverstümmelung. Todesurteil und Vollstreckung.

Eine junge Polin hatte eine Kleinigkeit gestohlen. Todesurteil nach dem Polenrecht – Guillotine.

Und dieses Unrechtssystem hatte unzählige Gehilfen und Scharfrichter, die dieses Recht als heilig betrachteten und die barbarischen Urteile vollstreckten. Sie waren die Hüter und Vollstrecker des Rechts. Sie achteten darauf, daß diese Tötungsmaschinerie bestens funktionierte, daß die Verschlüsse geölt und das Fallbeil geschärft war. Fast alles hatte auch damals scheinbar seine (Rechts)-Ordnung – man verurteilte, man tötete und protokollierte.

Gegen ein Urteil der vielen Sondergerichte gab es keine Berufung. Das wußten sowohl die Staatsanwälte, die die Todesstrafe beantragten, und auch die Richter, die das Todesurteil gnaden- und herzlos verkündeten. Nicht einer dieser Schergen des Todes wurde später für dieses Unrecht zur Verantwortung gezogen. Der Justizapparat reinigte sich dadurch, daß er über den tausendfachen Justizmord den Mantel des Schweigens legte. Sie alle sorgten  g e h o r s a m  nur für die Durchsetzung des gültigen Rechts und garantierten so den Erhalt der staatlichen Ordnung. Je weiter die Auflösung des Reiches voranschritt, um so unmenschlicher wurde die Justiz. Staatsanwälte und Richter hatten Hochkonjunktur. Henker, Scharfrichter und Erschießungskommandos arbeiteten fast rund um die Uhr. Dem menschlichen Sadismus waren keine Grenzen gesetzt.

Und da gab es noch eine viel, viel größere Gruppe unschuldiger Menschen. Man ließ sie in den Arbeitslagern verhungern oder im eigenen Dreck krepieren. Ohne Urteil wurden sie in die Gaskammern getrieben und danach in die Verbrennungsöfen gesteckt und restlos beseitigt. Es lohnt sich, darüber nachzudenken, auf wieviel tausend loyaler Staatsdiener sich auch dieser Machtapparat verlassen konnte und wie viele ihm willfährig zuarbeiteten. Ist der bedingungslose Gehorsam und die Umsetzung des (Un-)Rechts wirklich eine Tugend, auf die ein deutscher Beamter stolz sein darf?

Nachdem Adolf Hitler die Kriegsverbrechen der Wehrmacht in den besetzten Gebieten legalisiert hatte, wurden weite Landstriche kurzerhand von den dort lebenden „Untermenschen“ „gesäubert“. Ein harmlos klingendes Wort überdeckte schlimmste Greueltaten. Von etwa 5 Mio. russischer Kriegsgefangener überlebten nur etwa 2 Millionen, von denen viele nach ihrer Heimkehr nochmals vom Regen in die Traufe kamen. Falls sie nicht sofort nach ihrer Heimkehr exekutiert wurden, wartete auf sie der Gulag, die Arbeitslager Sibiriens, was für viele von ihnen einem Todesurteil gleichkam. Die Unmenschlichkeit hatte viele Gesichter und überall und auf allen Ebenen bereitwillige Helfer

Muß man sich bei so viel Grausamkeit auf beiden Seiten noch wundern, daß die Menschen in den deutschen Ostgebieten die Rache der näherrückenden russischen Armee fürchteten? Die Propaganda des Rundfunks berichtete von Plünderungen, von Vergewaltigungen und Mord und blindwütigem Haß. Menschen, die fliehen konnten, suchten ihr Heil in der Flucht. Viele verhungerten, erfroren oder kamen im Bombenhagel und zwischen den Fronten um. Unzählige hatten keinen Zielpunkt. Sie mußten bleiben und waren der von Osten heranrollenden Gewalt schutzlos ausgeliefert gewesen. Familien begingen gemeinsam Selbstmord, weil der Tod das leichter zu ertragende Leid war. Die Religion versprach ein besseres Leben nach dem Tod, ja sogar das ewige Paradies. Hier die Angst vor den heranstürmenden gnadenlosen „Untermenschen“, dort das himmlische Paradies. Für die, die zurückbleiben mußten, eigentlich eine einfache Entscheidung.

Auch Peter Berger erinnert sich noch an eine Situation wenige Monate nach Kriegsende, in der seine Mutter in einer nahezu ausweglosen Situation war. Nur ihre tiefe Religiosität und der Glaube an die bessere Zukunft für ihre vier kleinen Kinder hat sie letztendlich vor diesem Schritt in die Dunkelheit bewahrt.

 Der Krieg war zu Ende und es gab einen Neuanfang..

Die dringend notwendige „Säuberung“ nach dem Ende des Dritten Reiches ging an der Justiz vorbei. Bei der Aufarbeitung des Naziunrechts blieben meist nur die kleinen Fische in den Maschen des Gesetzes hängen. Beispielhaft sei hier zunächst Helene Schwärzel genannt, die eines Tages überraschend vom grauen Mauerblümchen zur Nationalheldin des Reiches aufgebaut wurde.

Das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 war gescheitert. Carl Goerdeler war auf der Flucht und übernachtete in einem kleinen Gasthof. Helene Schwärzler, die Goerdeler schon als Kind gesehen hatte, war zufällig auch in diesem Gasthaus. Überrascht stieß sie die Worte hervor: “Das ist ja Goerdeler!“ Zwei Zahlmeister hörten dies und verfolgten Goerdeler und nahmen ihn fest. Sondergericht und Vollstreckung des Todesurteils. Helene Schwärzler wurde von den Nationalsozialisten zur Heldin aufgebaut und von Hitler empfangen. Sie erhielt eine Million Reichsmark Belohnung. Dieses Blutgeld rührte sie jedoch kaum an. Helene Schwärzler hatte durch ihren überraschten Ausruf unbeabsichtigt kurzzeitig in den Lauf der deutschen Geschichte eingegriffen.

Nach dem Krieg wurde Helene Schwärzler wegen eines „Verbrechens gegen die Menschlichkeit“ angeklagt und zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. Im Berufungsverfahren wurde das Urteil auf 6 Jahre Zuchthaus ermäßigt. Alsbald wurde sie in das Zuchthaus nach Bautzen verlegt. Durch die Teilung Deutschlands in Ost und West hatte sie keine Chance auf Begnadigung. Sie verbüßte ihre sechsjährige Zuchthausstrafe, obwohl sie nur zufällig und unbeabsichtigt in die Geschichte eingegriffen hatte. Sie war zwischen die Mahlsteine der alten Justiz und der neuen Politik geraten und war mehr nur ein Bauernopfer als Täter.

Weder die Zahlmeister, die Goerdeler verfolgt und festgenommen hatten, noch der Staatsanwalt, der die Todesstrafe beantragt hatte, noch der Richter, der das Urteil verkündet, noch der Henker, der es vollstreckt hatte, wurden jemals für die Hinrichtung Goerdelers zur Verantwortung gezogen. Durch die Verurteilung der Helene Schwärzler war der an Goerdeler verübte Justizmord vollumfänglich aufgearbeitet und die „böse Verräterin“ zu einer gerechten Strafe verurteilt worden.

Gerade die Lebensgeschichte von Helene Schwärzler macht sehr nachdenklich. Die wahren Mörder blieben ungestraft, weil sie sich alle durch Verschweigen selbst die Absolution erteilt hatten. Das war nach dem Krieg das brüchige Fundament, auf dem der deutsche Rechtsstaat aufgebaut wurde.

In den ersten Jahren nach Kriegsende gab es vor deutschen Gerichten auch immer wieder Verfahren wegen Kindstötung gegen überlebende Elternteile. Sie hatten den geplanten und schon vollzogenen gemeinsamen Selbstmord durch Zufall überlebt, während die schwächeren Kinder gestorben waren. Die Propaganda, die schreckliche Angst - die Eltern hatten die eigenen Kinder umgebracht und überlebt. Ist dieses Wissen um die Schuld am Tod der eigenen Kinder nicht schon Strafe genug? Die neue deutsche Gerichtsbarkeit kannte in solchen Fällen keine Gnade, allenfalls etwas Milde.

 

Info über das Gefängnis Bautzen – „Das gelbe Elend“

 

Wie das Nazirecht im Osten durch ein willkürliches Besatzungsrecht nicht ersetzt wurde, beschreibt Erika Riemann in ihrem Buch – „Die Schleife an Stalins Bart“.

Als 14-jährige Schülerin hatte sie mit einem Lippenstift das Bild Stalins bemalt und den Bart des Diktatoren als rote Schleife dargestellt. Sie kam zwischen die Mahlsteine der politischen Besatzungsjustiz und wurde deswegen – als Kind ! – zu acht Jahren Haft verurteilt.

Ihre Stationen durch die Lager und Gefängnisse der russischen Besatzungsmacht und der späteren DDR sind ein menschenverachtender Horrortrip, den man sich heute so nur noch schwer vorstellen kann. Sie war in den gleichen Lagern, in denen anfangs über den Schreibtischen der Bewacher das Bild Hitlers, dann von Stalin und später von Ulbricht hing. In den Verschlägen hungerten und verhungerten zunächst die Opfer das Nazireiches und später die subversiven Elemente kommunistischer Willkür und böswilliger Denunziation. Das System hatte gewechselt. Die menschenverachtenden Wächter aber waren geblieben. Ist der folgende Satz aus dem Buch von Erika Riemann nicht ein Satz, der zum Nachdenken zwingen muß?

 

„Laßt die Deutschen durch Deutsche bewachen, dann sind sie bestraft genug.“

 

Als alte Dame erinnerte sich Erika Riemann ihrer deutschen Bewacher im Fernsehen und ergänzte:

„Wenn wir gekonnt hätten, wären wir sofort zu den Russen zurückgerannt!“

Dürfen wir es noch einmal so weit kommen lassen? Können wir es uns überhaupt erlauben, von anderen Regierungen die Einhaltung der Menschenrechte zu fordern? Müssen wir nicht sofort beginnen, uns erst einmal an die eigene Brust zu klopfen und im eigenen Land eine demokratische Rechtsordnung für alle zu schaffen?

Sind heute der Willkür des Rechts wirkliche Grenzen gesetzt? Ist der deutsche Rechtsstaat nicht längst ein potemkisches Dorf hinter einer illusionären Fassade? Richtig! Es gibt sie nicht mehr, die Todesstrafe. Ist das Recht wirklich um so viel gerechter und menschlicher geworden?

Der Fall Peter Berger und die Handhabung durch die Justiz wird zu diesem Thema noch viele unliebsame Fragen aufwerfen, die nicht allein durch weiteres Verschweigen und neues Unrecht beantwortet werden können.

Eine der bedenklichsten politischen Diskussionen in den letzten Monaten ist das Thema Schwarzarbeit. Gerade sie zeigt, wie weit wir auf dem Wege in den Unrechtsstaat vorangekommen sind. Wer den offiziellen Verlautbarungen Glauben schenkt, der hört, daß bis zu 17 % des Bruttosozialprodukts, also etwa 350 Milliarden in der Schwarzarbeit erwirtschaftet und umgesetzt werden. Diese grandiose Verdummung der Menschen durch die Politik allein ist schon ein Skandal, denn jeder Bürger müßte innerhalb von 6 Jahren mindestens einmal sein ganzes Jahreseinkommen nur über Schwarzarbeit und dunkle Kanäle umsetzen. Das ist unmöglich. Da kann nach Adam Riese einiges bei diesen Berechnungen nicht stimmen. 17 % im Handwerk und Dienstleistungsbereich. Das könnte eher hinkommen, ist vermutlich aber auch eine unrealistisch hohe Zahl. Ist es nicht erschreckend, auf welch primitive Weise ein Großteil der Deutschen über das Thema Schwarzarbeit inzwischen kriminalisiert wird, nur weil der Staatsapparat Schuldige für die eigene Mißwirtschaft  und Staatsverschwendung braucht?

Diese Verdummung ist nicht das Infame an dieser öffentlichen Neiddiskussion, die ungeprüft von den Medien übernommen und verbreitet wird, sondern die staatliche Aufforderung, andere Menschen zu denunzieren. Reichen die schlimmen Erfahrungen des Nazireiches, der DDR und anderer totalitärer Systeme nicht aus? Ist Denunziantentum wirklich das einzige, was wir im Westen nach der Wende als das letzte und einzige Überbleibsel der früheren DDR übernehmen sollten? Der Weg, den die Politik eingeschlagen hat und den die Justiz und der Behördenapparat mit fast 6 Mio. Beschäftigten bereit ist mitzugehen, ist vermutlich der Anfang vom Ende unserer „freiheitlichen Rechtsordnung.“

Zu allem Übel kommt erschwerend hinzu, daß gerade der Mittelstand, der in der Vergangenheit und auch in Zukunft die Hauptlast der Ausbildung und der Steuerlast zu tragen hat, von der Politik in eine kriminelle Ecke geschoben wird. Wer keine oder nur eine schwache Lobby hat, der wird von den Politikern längst wieder gnadenlos zum Buhmann abgestempelt, weil der unersättliche Vampir Staat stets einen Schuldigen für die eigene Mißwirtschaft braucht.

Sind es nicht die global operierenden Großunternehmen, die von der ungerechten Steuerpolitik des letzten Jahrzehnts am meisten profitierten und ihre Gewinne über Ländergrenzen und Kontinente hinweg verschieben und steuern konnten? Sind es nicht die starren staatlichen Strukturen und Rechtsvorschriften, die heute jeden Unternehmer begleiten und ihn bei einem Scheitern seiner Existenz ein Leben lang strangulieren?

„Justiz ist Ländersache.“ Das hatte der Bundesjustizminister Ende 1997 auf Peters Brief nach Abschluß des Strafverfahrens gegen Hieber geantwortet. Vermutlich wollte der Minister seine Aussage sicherlich nicht so interpretiert wissen, wie das Recht im Umfeld des Attentats später von den sächsischen Justizbehörden und Gerichten aus-gelegt wurde.

 

Die Staatsanwaltschaft Bautzen und die sächsischen Justizbehörden interpretierten, zumindest bei allen Vorgängen um Rammenau, das Recht auf eine sehr eigentümliche Art und verletzten wiederholt gemeinsam die elementaren Rechte von Peter Berger. Ja, das alte Bautzener Landrecht schien - zumindest in Teilbereichen Sachsens - die Wende unbeschadet überstanden zu haben.

Es ist eine besondere Ironie des Schicksals, daß die großen Worte von Johann Gott-lieb Fichte, dem großen deutschen Philosophen, dessen Gedanken viele Geisteswissenschaftler beeinflußt haben, gerade in der Umgebung seines Geburtsorts Rammenau von der „rechtsstaatlichen Justiz“ so mit Füßen getreten wurden.

Zunächst ärgerte sich Peter sehr über die willkürliche Auslegung des Rechts. Erst als er tiefer in das Strafverfahren gegen Hieber eingedrungen war und die vielen Absonderlichkeiten bei den Ermittlungen und im Strafprozeß erkannt hatte, machte er sich aus den verschiedenen Strafanzeigen, die er später stellte, ein kleines Hobby. Er war sicher, daß um den Mordanschlag ein juristischer Schutzwall aufgebaut worden war, den die Justizbehörden gegen alle Angriffe zu verteidigen suchten. Wie recht sollte er alsbald mit dieser Ansicht behalten.

Qui s’excuse, s’accuse ( – Wer sich entschuldigt, klagt sich an. – ). Wer lügt, der braucht ein gutes Gedächtnis. Peter hatte es da leichter. Er war nur auf der Suche nach der Wahrheit, während die Justizbehörden gezwungen waren, „ihre Wahrheit“ mit immer neuen Lügen zu überdecken, so daß sie sich im Laufe der Zeit in diesem Lügengebäude immer mehr Personen immer tiefer verstrickten.

Peters erste Strafanzeige wegen Beleidigung (im Auftrag von Frau Jäger sollte Peter Berger zur persona non grata erklärt werden) wurde, so wie er es erwartet hatte, sehr rasch von der Staatsanwaltschaft eingestellt, da kein öffentliches Interesse an einer Strafverfolgung bestand. Die Einstellung dieses Verfahren war Peter ziemlich gleichgültig, doch sie sollte sich später recht gut in das negative Gesamtbild der Bautzener Justiz einfügen.

 


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